Mitten in Berlin: Drei Kinder leben im VW-Golf….

GF-Tagebuch #35

Es sind solche Meldungen, wie die im Tagesspiegel vom 29.8. diesen Jahres, die mir manchmal fast die Tränen in die Augen treiben: Durch das Schreien eines Kindes in einem am Straßenrand geparkten Auto werden Passanten auf einen VW-Golf aufmerksam und verständigen die Polizei. Die Beamten entdecken im Auto ein sieben Monate altes Baby, ein anderthalbjähriges Mädchen, einen vier Jahre alten Jungen. Und die Mutter der drei Kinder, 24 Jahre alt. Der 42-jährige Vater kommt später hinzu – er war Wasser besorgen. Offensichtlich lebte diese 5-köpfige Familie schon seit längerer Zeit in dem Auto. Es war vollkommen verdreckt und zugemüllt.

© kochy19258 - Fotolia.com

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Ich lese diese Zeilen und bin fassungslos. Stelle mir meinen kleinen Enkel vor, die vielen Kinder, die mir so im beruflichen und / oder privaten Umfeld begegnen – und ich werde unendlich traurig. Was für ein Leid müssen diese kleinen Menschen durchmachen? Welche tiefen Verletzungen und Beschädigungen müssen ihre kleinen Seelen verkraften? Ich überlege, wie diese Kinder einschlafen, mit welchen Gedanken nd Gefühlen sie aufwachen. Wie sie auf andere Kinder schauen, die an ihrem Auto vorbeilaufen. Andere Kinder, die in richtigen Betten schlafen, in Kitas gehen, geliebt und versorgt werden. Das Jugendamt hat die drei Kinder in Obhut genommen und dem Kindernotdienst übergeben.

Mein nächster Gedanke gilt den Eltern. Was läuft in den Köpfen dieser Leute schief? Wie kann es sein, dass erwachsene Menschen in Kauf nehmen, mit ihren Kindern in solchen Verhältnissen zu leben. Wann haben diese Menschen mit ihrem Leben abgeschlossen? Wann haben diese Menschen aufgegeben an eine Zukunft für sich und vor allem für ihre Kinder zu glauben? Warum haben es diese Menschen offenbar nicht geschafft, nach Hilfe zu fragen, sich Rat und Unterstützung beim Jugendamt oder in irgendeiner Beratungsstelle zu holen. Bei aller Fehlerhaftigkeit unseres Sozialsystems: Wenn Du nicht mehr weiter weisst und am Boden liegst, findest Du in diesem Land IMMER einen Ansprechpartner. Erst recht, wenn Du Kinder hast. Wussten das diese Menschen nicht?

Und was ist mit dem „Hilfesystem“? Ist diese Familie schon vorher aufgefallen? Wusste irgendjemand von einer drohenden Obdachlosigkeit? Sind niemanden die Kinder aufgefallen, die ja auch irgendwann mal das Auto verlassen haben werden…..? Fühlte sich niemand für diese Familie verantwortlich? Fragen, die vielleicht im Verlauf der Aufklärung dieses Falles beantwortet werden. Ich hoffe es…..

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Kinderschutz ist machbar

SocialLinks #16

Mein Beitrag  „Er nannte ihn Papa“  wurde ungefähr 1000 mal gelesen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass das Thema Kinderschutz viele Menschen berührt und beschäftigt…..

In vielen Mails an mich wurde gefragt: „Was kann ich tun, wenn ich in meinem Umfeld mitbekomme, dass es den Kindern nicht gut geht – oder sie sogar misshandelt oder anderweitig missbraucht werden? “

© bramgino - Fotolia.com

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In meiner Linkliste für die 16. Woche möchte ich daher auf ein paar Anlaufstellen aufmerksam machen….

Erste und wichtigste Anlaufstelle bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung sind immer die örtlichen Jugendämter. Die Adressen und Kontaktdaten des regional zuständigen Jugendamtes findet Ihr sehr schnell und unkompliziert im Internet.

 

Die Jugendämter haben eine schöne Website geschaltet. Titel: „Jugendamt. Unterstützung , die ankommt“. Unbedingt angucken – v.a. wenn Ihr aus irgendwelchen Gründen noch irgendwelche Vorbehalte gegen das Amt haben solltet…..

www.unterstuetzung-die-ankommt.de

Eine Anlauf- und v.a. Informnationsstelle ist auch die Adresse kinderschutz-zentren.org. Die Initiatoren über sich selbst: „Die Kinderschutz-Zentren setzen sich für eine Kultur des Miteinanders ein. Nur ein Alltag ohne Gewalt schafft die Voraussetzung dafür, dass Kinder die Fähigkeit erlangen, emotionale Bindungen mit Menschen einzugehen und eigene Gefühle zu entwickeln. Alle Menschen haben das Recht ihr Leben in Eigenverantwortung und Selbständigkeit führen zu können. Der Schutz vor Gewaltanwendung, die Verhinderung von sozialer Isolation durch Armut und fehlende Bildung, die Gefährdung der Gesundheit sowie die Vermeidung von Arbeitslosigkeit und die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bilden hierfür die Grundlagen.“

www.kinderschutz-zentren.org

Wenn sexuelle Gewalt im Spiel ist braucht es spezielle Beratungskompetenz. Hier möchte ich Wildwasser e.V. als erste Anlaufstelle empfehlen. Tolle Menschen, die einen ganz besonders herausfordernden Job machen. An dieser Stelle – meine Hochachtung!

www.wildwasser.de 

Einen sehr interessanten Blick auf das Thema „Jugendamt und Öffentlichkeit“ liefert Detlef Schade, Geschäftsführer von FAB e.V.,  in einem Beitrag für das Blog Jugendhilfe-bewegt-Berlin. Prädikat „lesenswert“…

www.jugendhilfe-bewegt-berlin.de

 

Und als Letztes ein Tipp, wenn Ihr nicht wisst, wie Ihr Euch verhalten sollt, wenn Ihr in Eurem Umfeld eine Mißhandlung mitkriegt: Im Zweifelsfall bitte immer lieber einmal zuviel als einmal zuwenig die Polizei rufen. Telefon 110.

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Immer Mittwochs gibts an dieser Stelle  meine  Linkliste der Woche. Ich möchte Euch ein paar gute Projekte, Konzepte, Ideen und Anregungen aus der Welt der Sozialen Arbeit, der Sozialwirtschaft, des Social Entrepreneurship und der Förderung des UnternehmerInnentums ans Herz legen und zur Lektüre empfehlen.  Und machmal finde ich auch Seiten interessant und empfehlenswert, die nicht direkt etwas mit den eben genannten Gebieten zu tun haben – die Ihr Euch aber trotzdem mal anschauen solltet…..

Ich freue mich, wenn Ihr diesen und weitere Beiträge in meinem Blog über Eure Kanäle teilt und weiterverbreitet. Vielen Dank!

 

Er nannte ihn Papa

GF-Tagebuch  #15

Manchmal liest man Beiträge und Artikel, die einen nicht mehr loslassen. Schon nach den ersten Sätzen spürte ich eine tiefe Betroffenheit, die Geschichte berührte mich. Das ist jetzt nicht diese typische „Sozialarbeiterbetroffenheit“ (die Ihr bei mir sowieso nicht vermutet hättet, oder?), sondern eine tiefempfundene Traurigkeit darüber, was Kindern in unserer Nachbarschaft passiert. Mitten unter uns.

© HaywireMedia - Fotolia.com

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Eine tiefe Trauer über unser aller  Unvermögen Kinder vor ihren überforderten Eltern zu schützen. Eine tiefe Traurigkeit darüber, dass professionelles, ehrliches und wahrhaftiges sozialarbeiterisches Engagement oft nicht ausreicht um Leben zu retten. Und die Frage: Was braucht es, damit es besser wird? Was braucht es, damit kleine Kinder aus unserer Nachbarschaft angstfrei und geliebt aufwachsen können? Was braucht es, damit wir uns stärker dafür verantwortlich fühlen, Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung und ihrer Erziehungskompetenz zu stärken?  Diese Frage berühren mich als Vater, als Großvater, als Sozialarbeiter. Als Mensch. Zeit etwas zu ändern. oder?

Aus dem Artikel:  „Vor ein paar Wochen, im Winter, hat sie sich neben das Grab ihres toten Kindes gelegt und auf den Schlaf gewartet. Sie will jetzt oft einfach nur einschlafen und nicht mehr aufwachen. Wenn sie schläft, träumt sie von ihrem Sohn. Wenn sie aufwacht, weiß sie, er ist tot. Die Kälte soll ihr Leben einfrieren in diesem Moment auf dem Berliner Domfriedhof, neben sich das weiße Kreuz mit dem Namen ihres Kindes darauf: Daniel. Da kommt ein Passant und fragt: Ist alles okay? Die Mutter steht auf.

Als Sanitäter den Zweieinhalbjährigen ins Krankenhaus bringen, hat Patricia F. noch Hoffnung. Es ist Dienstag, der 3. September 2013, am späten Nachmittag. Das Kind ist bewusstlos, es hat blaue Flecken und Blutungen am Kopf und an der Stirn, Hämatome über den gesamten Bauch und auch am Penis blaue Flecken. Der Bauch sei hart wie ein Brett gewesen, wird sich ein Sanitäter später erinnern. Die Mutter steht unter Schock. Auf die Frage, was passiert sei, sagt die 20-Jährige immer wieder, ihr Sohn sei vom Klettergerüst gefallen. Mehr ist aus ihr nicht herauszubekommen.“ (….)  „Im Klinikum Friedrichshain wird Daniel sofort operiert. Als sie den Bauchraum öffnen, stellen die Ärzte eine Zerreißung des Darms fest. Auch nach der OP geht es dem kleinen Jungen immer schlechter, er wird wieder operiert, ihm werden künstliche Ausgänge am Dünn- und am Dickdarm gelegt. Zwei Tage vergehen, in denen sich die Ärzte fragen, woher diese schweren Verletzungen stammen. Sie zweifeln an der Geschichte vom Klettergerüst. Das Krankenhaus alarmiert die Polizei.In der Vernehmung bleibt die Mutter bei ihrer Geschichte: Sie sei mit ihrem Jungen auf dem Spielplatz gewesen, dann sei er plötzlich vom Klettergerüst gestürzt und habe im Sand gelegen. Kein Wort davon, dass sie doch in Wahrheit einkaufen war und sich die Augenbrauen zupfen ließ. Ihren Sohn hat sie für etwa anderthalb Stunden bei ihrem 26 Jahre alten Freund Mirko B. gelassen, mit dem sie seit vier Monaten zusammenwohnte. Einen Tag später, am 7. September, um kurz vor 6 Uhr morgens stirbt Daniel. „

Bitte lest den ganzen Artikel. ( H I E R klicken).

Nachtrag:

Vor ein paar Tagen meldeten sich Jugendamtsmitarbeiter(innen) zu Wort. Bis zu 80 Fälle muss ein Sozialarbeiter durchschnittlich betreuen. Die KollegInenn brauchen Verstärkung …. – und die solidarische Unterstützung der Gesellschaft für ihre Arbeit.

Seht hierzu auch den Beitrag im rbb-Fernsehen.

Nachtrag: 2 (15.4.) Mirko B. ist gestern zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.